Dienstag, 11. November 2014

"Vatican: Zeit der Reform. Wo steht der Papst?"

Bei  Monday Vatican schreibt Andrea Gagliarducci diesen lesenswerten Artikel über die Säuberungen in der Kurie:      "Vatican, Zeit der Reform. Wo steht der Papst?"   
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"Beim nächsten Zusammentreffen der Chefs der Dikasterien, Ende des Monats, wird eine Zusammenfassung der bisher erreichten Rationalisierungsmaßnahmen in der Kurie bekannt gegeben werden. Der Rat der Kardinäle, der sich vom 9.-11. Dezember trifft, will die ersten konkreten Veränderungen in die Tat umsetzen, um zu beweisen, daß sie sich nicht nur treffen, um zu reden, sondern auch um zu handeln. Diese Bemühung wird von Franziskus abgesegnet: die Zeit des Beobachtens hat ein Ende, die Zeit zu handeln beginnt.

Die Atmosphäre innerhalb der heiligen Mauern ist die einer Spaltung. Jemand hat diese Spaltung als "Bürgerkrieg zwischen Konservativen und Progressiven" beschrieben, andere sprechen von "kontinentalen Lobbys" ( d.h. die Amerikanische Lobby, die Maltesische Lobby). Es ist nichts von dieser Art.
Das Szenario ist nuancierter, wie vor kurzem bei den Diskussionen der Bischofssynode ersichtlich wurde. Die Gruppe von Kardinälen, die - wenn auch in verschiedenem Grad und mit unterschiedlichen Nuancen- handelte, um die Doktrin zu verteidigen, setzte sich sowohl aus konservativen als auch progressiven Bischöfen zusammen. Auf der anderen Seite gab es eine Gruppe, die privat nach "einem Papst" riefen, "der die Kirche mutiger öffnen solle", die parallel als wirkliche Lobby arbeiteten, ohne auf die Doktrin zu achten, und darauf, daß eben diese Doktrin Teil der Verkündung ist. (Das Lobbying  für die nächste Synode hat bereist begonnen.)

Der Spalt sollte eher als einer beschrieben werden zwischen jenen, die fest daran glauben, daß die Kirche die Welt gestalten muß und jenen, die wollen, dass die Kirche die Welt, wie sie ist, willkommen heißt, sie lediglich begleitet und tröstet, und die Vision des Papstes von der "Kirche als Feldlazarett" in die Tat umsetzt. Kardinal G.L.Müller, Präfekt der Glaubenskongregation hat die Mitglieder dieser Gruppe als "Bischöfe, die von der säkularen Welt fasziniert sind" beschrieben.

Die Position des Papstes muß erst noch festgestellt und verstanden werden. Papst Franziskus hat immer vor einer "weltlichen Kirche" gewarnt und hat als ein Ziel seines Pontifikates die Förderung einer "missionarischen Kirche" genannt. die nach außen orientiert ist, aber- dicht an der Volksfrömmigkeit- an einigen Fixpunkten des Evangeliums festhält. Gleichzeitig aber war Papst Franziskus der Motor einer inneren Reform, bei der er eher Effizienz als Evangelisierung suchte.  Effizienz ist ein sehr weltlicher Parameter.


Die Kurienreform wird im Namen dieser Effizienz und von Rationalisierung der Ausgaben vorwärts getragen. Am Anfang war es Ziel der Kurienreform, einige Korrekturen am "Pastor Bonus" anzubringen, der Konstitution, die die Funktion der Ämter der römischen Kurie reguliert.
Dann wurde erwogen, die Konstitution substantiell neu zu schreiben, auch wenn nur ein Entwurf der Einleitung vollendet wurde, der erst noch diskutiert werden muß.
Inzwischen sieht es so aus, als seien die Kardinäle willens, an Pastor Bonus einige Korrekturen durchzuführen, neue Dikasterien zu etablieren, fast eine Parallelkurie, die die bestehende Schritt für Schritt ersetzen wird.

Diese Art des Vorgehens würde erklären, wie die "Präfektur für Wirtschaftliche Angelegenheiten" immer noch arbeiten kann, obwohl das "Sekretariat für die Wirtschaft" bereits errichtet wurde.
Das "Sekretariat für die Wirtschaft" arbeitet zusammen mit dem "Rat für die Wirtschaft" als eine Art Finanzministerium und ist die aktivste Vaticankörperschaft im Vorantreiben der Reformen und hat die Zügel des Finanzmanagements in die Hand genommen.
Letzte Woche hat das Sekretariat ein "Handbuch für das finanzielle Management"  veröffentlicht und allen Vaticanischen Körperschaften mit finanzieller Verantwortung ausgehändigt: die im Handbuch enthaltenen neuen Richtlinien werden am 1. Januar 2015 in Kraft treten.In der Zwischenzeit werden die vaticanischen Buchhalter in den neuen Buchhaltungprinzipien geschult.

Die Reform muß Profit erbringen, wie Kardinal Pell, Präfekt des Wirtschaftssekretariates, unschuldig erklärte, Um dieses Ziel zu erreichen, muß Teil des Reformprozesses sein, ein Vaticanisches Vermögensmanagement zu schaffen, das sich auf die Expertenratschläge externer Agenturen (Gerüchten zufolge die mit Goldman-Sachs verbundene Black Rock), um die bestmöglichen Gewinne mit dem Vaticanvermögen zu machen.

Immer im Namen des Profits wurde entschieden, die kollektive Vereinbarung mit 500 Künstlern, die die Pergamente mit dem Päpstlichen Segen für den Päpstlichen Almosenier herstellen, nicht zu erneuern. Die Vereinbarung sah eine feste Bezahlung vor. Als der Almosenier ankündigte, dass die Vereinbarung nicht erneuert werde, war es klar, daß er die Produktion im Hause haben wollte oder als Vertragsarbeit durch jeden der wollte, um den Profit zu vergrößern und ihn für die Hilfe für die Armen zu nutzen.
Im Namen der Unterstützung für die Armen werden vielleicht die Hauptgesichtszüge der kleinen vaticanischen Welt zerstört. Es war ein eine Familienwelt und eine familiäre Welt, mit einer in sich geschlossenen Wirtschaft, die alle, die auf würdige Weise um diese Welt herum lebten, zufrieden stellte und auch den Menschen half. Vaticangehälter konnten niedriger sein als erwartet ( obwohl sie steuerfrei waren) , aber sie genügten, um im internen Supermarkt "Annona" einzukaufen.
Das Institut für Religiöse Werke (die sogenannte Vaticanbank) investierterte in solide Vermögenswerte, die nicht nur sicher sondern auch ethisch waren. Sie generierten bescheidene Gewinne, aber so unterhielt die Vatican-Bank die Religiösen Kongregationen, bot ihnen kostenlosen Bankservice und erwirtschaftete Profite um die Katholische Welt zu unterstützen. Sogar die Verträge für Arbeiten innerhalb des Vaticans, vertrauenswürdigen Gesellschaften anvertraut, erzeugten ein gewisses Sicherheitsgefühl in die Investments, das auf gegenseitigem Vertrauen beruhte, ein Vertrauen, das fehlt, wenn Aufgaben im Wettbewerb übertragen werden. 

Sicher hat jedes System seine Probleme, und das Geschwür dieses Systems wurde mit der causa Vigano und dem Vatileaks-Skandal sichtbar. Aber das lag an der Weise, wie das System gemanagt wurde, die hätte hinterfragt werden müssen, nicht am System selber. Dennoch richteten sich die Angriffe gegen das System, das sich in der Vergangenheit als gut erwiesen hatte, und in dem Moment seine dunklen Stunden erlebte, als das "Alte Männer-System" nicht mehr ordentlich funktionierte. Es ist eine ganze Welt, die unter der Franziskus-Revolution Schritt für Schritt zusammenbricht. Die säkularen Medien begrüßen alles und jede Neuerung, als ob die Kirche vorher ein korruptes Königreich gewesen sei, das der Papst nun endlich säubere.

Der Vatican selbst scheint dieses Bild verbreiten zu wollen. Vatican -Communiqués betonen immer wieder, daß alles nach den klaren Wünschen des Papstes geschieht, vom Prozess wegen angeblicher Pädophilie innerhalb der Vaticanmauern, über den früheren Nuntius Wesolowski, bis zur Entscheidung, die Regeln für den Bischofsrücktritt zu ändern. Dieser letzte Punkt verdient nähere Untersuchung.

Paul VI hatte Bischöfe, die das 75. Lebensjahr vollendet hatten, gebeten auf ihr Amt zu verzichten, dasselbe tat er bei den Kardinälen, die Dikasterien vorstanden. Das Rücktrittsalter für Mitglieder von Vaticanischen Kongregationen wurde dagegen auf 80 Jahre festgesetzt.
Papst Franziskus bestätigte diese Regel mit einigen leichten Veränderungen.

1. Bischöfe in "kontroversen Situationen" werden ermutigt, ihren Posten zum Wohl der Gemeinde zu räumen, auch wenn viele Bischöfe ungerechtfertigt angegriffen werden. ( Soll also die öffentliche Meinung Einfluss auf die Bischofsernennungen haben?). Der Papst war jedoch sehr klar: im "Rescriptum ex audientia", in dem diese Entscheidung publik gemacht wurde, fügte er auch hinzu, daß der Papst selbst entscheiden könne, einen Bischof in so einer "kontroversen Situation" zu entlassen.

2. leichte Veränderung: die Erwähnung von Kardinälen, die Posten durch päpstliche Ernennung inne haben, sollen ebenfalls zurücktreten, wenn sie 75 werden. Das schließt die Erzpriester der päpstlichen Basiliken, die Kardinalpatrone der Ritter-Orden ( wie kürzlich Kardinal Paolo Sardi, bis jetzt Patron des Malteser-Ordens, der gerade 80 wurde und seinen Posten für Kardinal Raymond L. Burke verlassen muß) . Die Liste schließt auch den aktuellen Camerlengo, Kardinal Tarcisio Bertone, emer. Staatssekretär und häufig Ziel bösartiger Kritik ein. 
Kardinal Bertone wird am 3. Dezember 80 und man kann leicht sehen, warum er dennoch mit dem Wirbel um Rücktritte und Demontagen (diejenigen, die ein Dikasterium verlassen, verlieren automatisch auch andere damit verbundene Positionen, wie Mitgliedschaften in Kongregationen) erwähnt wird. Die Tatsache, daß Kardinal Bertone in dieser Gruppe erwähnt wurde,  Kardinal Parolin tat das bei einem informellen Gespräch auf die dringende Frage von Journalisten hin - muß als eine letzte Kränkung der meistkritisierten Person in Benedikts XVI Pontifikat gelesen werden.

In der Tat ist da das Gefühl, daß das erste Ziel des Demontage-Teils von Papst Franziskus´ Pontifikat das Zerschlagen des Kardinal-Bertone-Staatssekretariates sein soll. Der Papst versetzte am 8. November Erzbischof Dominique Mamberti, bis dahin Sekretär für zwischenstaatliche Beziehungen und seit 2006 im Amt, in die Apostolische Signatur. Als Experte für Kirchen-und Zivilrecht hatte Erzbischof Mamberti einen "weichen" Abgang auf einen Kardinalsposten. Erzbischof Paul Gallagher, früherer Nuntius in Australien, scheint von Kardinal Parolin geschätzt zu werden, während er bekanntermaßen mit Kardinal Pell einige Probleme hatte ( die beiden Sekretariate, die im Machtbereich des Vaticans immer mehr polarisieren).

Diese offentsichtliche Demontage der Arbeit Kardinal Bertones, sollte uns zurückblicken und versuchen lassen, zu verstehen, warum das Papsttum Benedikts XVI von der säkularen Welt so stark kritisiert wurde.
Benedikt XVI war in seinem Lehramt sehr klar und es gelang ihm, die Kirche wieder im Zentrum der kulturellen Debatte zu positionieren, aus dem sie durch die emotionalen Wellen der letzten Jahre des Pontifikates Johannes Pauls II entfernt worden war. Der Papst der Vernunft zeigte der Welt ruhig und klar, wo die Herausforderungen für die Kirche lagen, von der Verteidigung der Familie, des menschlichen Lebens und der Menschenwürde bis zur Umsetzung der Soziallehre der Kirche, alle mit der Wahrheitsfrage verbunden und ein klarer Standpunkt gegen den Relativismus- und er trat ihnen (den Herausforderungen) Schritt für Schritt entgegen.
Benedikts XVI Reformbemühung verdient es, herausgestellt zu werden. Er stellte die Disziplin in der Befolgung der Zulassungskriterien für die Seminare wieder her und formte den modus operandi der Römischen Kurie neu,  basierend auf der Kollegialität, die er auch als Präfekt der Glaubenskongregation praktiziert hatte. Sein Reformbemühen schärfte das Profil des Heiligen Stuhls im Internationalen Szenario, unter Benedikt bewegte sich der Hl. Stuhl vom privilegierten Verhältnis zu Italien weg und gewann mehr internationales Gewicht und mehr Anerkennung als Autoritätsstimme bei internationalen Konferenzen: Beweis dafür ist das Procedere bei der Reform der Vatican-Finanzen, die mehr international als auf den Nachbarn Italien ausgerichtet war.

Es ist schwer, Benedikt XVI zum Ziel scharfer Kritik zu machen, weil er so klar und folgerichtig in seinen Entscheidungen war. Ein leichteres Ziel ist seine frühere rechte Hand, Kardinal Bertone, der vielleicht Fehler gemacht hat, wie es jeder tut, der aber dem nun emeritierten Papst gegenüber immer loyal war.
Jetzt wieder ein Staatssekretariat anzugreifen, das nicht mehr auf dem Radar ist und der Gedanke, der sich immer wieder aufdrängt, daß Papst Franziskus die Kurie umgestaltet, indem er die Ratzingerianer verjagt, ist ein klarer Hinweis darauf, wie die säkularen Medien die Tür zum Papsttum Benedikts XVI endgültig zuschlagen und sie für ein medienfreundlicheres, leicht in säkularen Begriffen zu erklärendes Pontifikat öffnen möchten.

Dennoch preist Papst Franziskus Benedikt bei der Enthüllung der Bronzebüste des Papa emeritus in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften hoch. Benedikt kann als eine Art "verborgener Ratgeber" von Papst Franziskus betrachtet werden, alldieweil Benedikts Texte und Gedanken weiterhin eine große Inspiration für die Kirche sind.
Bis zu welchem Grad Papst Franziskus von ihnen inspiriert wird, wird man sehen. Bis jetzt hat sich die Vaticanreform nur mit vielen internen Bewegungen und der einzigen ökonomischen Strukturreform, die erst noch Form annehmen muß, befaßt. Es gibt viele interne Kämpfe, und da geht es nicht nur um ideologische Zusammenstösse, wie die Medien uns glauben machen wollen. Es ist der Zusammenstoß von Mentalitäten.
Papst Franziskus hat immer betont, daß die erste Reform die des Herzens ist. Wo wird er in diesem Zusammenstoß stehen?"
 Quelle: Monday Vatican, A. Gagliarducci





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