Mittwoch, 29. Juli 2015

Franziskus und eine um 200 Jahre verspätete Kirche, Teil II

Fortsetzung-  (hier geht´s zum Original:   klicken nachdem wir gestern mit den Schockenhoff´schen Vorschlägen endeten.

"Was ist dann die Wahrheit, nach der wir streben sollen? Ein Beitrag zur "narrativen Theologie" oder besser eine "Theologie der Biographie"- mit dem Vorschlag des jesuitischen Theologen Alain Thomasset, daß die Wahrheit nicht eine sei, sondern vielfältig?

Die Interpretation der Doktrin von den Handlungen, denen das Böse eingeschrieben ist, ist anscheinend eines der Haupthindernisse der pastoralen Versorgung der Familien, weil es die künstlichen Kontrazeption, sexuelle Beziehungen zwischen geschiedenen und wiederverheirateten Personen und sogar stabile homosexuelle Paarbeziehungen verbietet, sagte er.

Diese Doktrin- bekräftigte Thomasset, scheint vielen Leuten unverständlich und für die Pastoral als kontraproduktiv. und deshalb müßten weitere Differenzierungen der verschiedenen Situationen vorgenommen werden, weil der objektive ethische Bezugspunkt, den die Kirche anbietet,ein Ziel ( ein wichtiges aber nicht das alleinige) hat- die moralische Unterscheidung,  die das persönliche Gewissen treffen muß.

Auf der Basis dieser Vorbedingungen schlägt Thomasset eine Interpretation des menschlichen Tuns im Kontext der katholischen Tradition vor, die alle diese Konsequenzen beinhaltet:so daß sexuelle Beziehungen wiederverheirateter Personen nicht länger moralische Schuld nach sich ziehen und so der Zugang  zu den Sakramenten der Versöhnung der Eucharistie frei würde, daß sexuelle Beziehungen mit Benutzung nicht-abtreibungsauslösender Kontrazeptiva durch verheiratete Paare nicht länger als objektive Sünde angesehen werden könne und daß die objektive Sünde sexueller Beziehungen stabiler homosexueller Paare reduziert wird, so daß bezüglich ihrer sexuellen Aktivtät "ihre objektive moralische Verantwortung  verringert oder eliminiert werden kann."




Die deutsche Theologin Eva Maria Faber versetzte dann einet Theologie, die auf der Wahrheit basiert, den Todesstoß.
In ihrer Rede betonte sie, daß die Katholische Tradition sich auf die Art, wie Ehepaare zusammenleben sollen konzentriere, aber daß dieser Weg die individuelle Geschichte und die Individualität der Partner ignoriert, während gleichzeitig das Eheversprechen für eine unvorhersehbare Zukunft gilt- und die Zerbrechlichkeit der Ehe sei heute evidenter, weil die soziale Unauflöslichkeit der Ehe nicht länger existiert und es heute eine größere Herausforderung sei, eine erfolgreiche Ehe zu führen."

Am Ende stellte die Schattensynode fest,  nicht nur einen Schritt in Richtung einer eher pastoralen Sicht der Ehe gemacht zu haben  sondern vielmehr den Versuch, sie aus der traditionellen Lehre der Kirche zu lösen.-
weil es zu schwer sei, dieser Lehre zu folgen.
Am Ende suggerieren diese Vorschläge eine nötige Überholung, um sie der Welt anzupassen und die Kirche passend zu Welt zu machen-und das um so mehr- als man die säkulare Sprache der Welt angenommen hat.

Aber die Katholische Kirche hat ihr eigenes Vokabular, das tiefgründig und präzise ist und über Jahrhunderte der Geschichte, Tradition und Studien erarbeitet und etabliert wurde. Worte sind ebenso wenig zweitrangig wie es Symbole sind.
Manchmal kommt Papst Franziskus auf den Punkt, so z.B. beim Treffen mit den Bürgermeistern der großen Städte in der vorigen Woche im Vatican- die zusammengekommen waren, um eine Deklaration gegen Sklaverei und zur Verteidigung der Umwelt zu unterzeichnen, als der Papst klarstellen wollte, daß die Enzyklika "Laudato Si´ "  keine "grüne" sondern eine soziale Enzyklika sei und er erklärte,  daß es besser sei, ausdrücklich von Gottes Schöpfung zu sprechen. Auf diese Weise korrigierte er einige der Fehlinterpretationen der Enzyklika, besonders was seinen Gebrauch des Begriffs "Mutter Erde" betrifft.

Der Gebrauch von Worten ist vielleicht das wirkliche Problem im Pontifikat von Papst Franziskus. Nach seiner Stegreifrede war er der erste Unterzeichner der Erklärung der Bürgermeister. Die Erklärung bezieht sich explizit auf die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung der UNO  und ist in der Terminologie der Uno abgefaßt.

Wenn es während der 80-er Jahr dem "hidden vatican" möglich war, Bezüge zur integralen menschlichen Entwicklung hier und da in UN-Dokumente einzuführen, übernimmt der Hl. Stuhl heutzutage einfach das UN-Vokabular und indem er das tut, akzeptiert er auch alle kontroversen Positionen bei Themen wie Geburtenkontrolle und Abtreibung, die mit UN-typischen Begriffen diskret in die Texte eingebettet sind, wie "nachhaltige Wirtschaft" und "sexuelle und reproduktive Rechte"

Dieser Wechsel des Vokabulars ist nicht plötzlich erst  unter Papst Franziskus passiert. Es gibt schon seit Jahren diese diskrete Bewegung zu dieser Sprache hin-obwohl Benedikt XVI versuchte, sie einzudämmen, indem er bei allem den Focus auf den Wahrheitsgehalt legte, sogar bei der Vaticanischen Diplomatie. 
Und Benedikt XVI ging sogar noch weiter - hinter die den Theologen eigene historisch-kritische Diskussion-, so wie sie Texte der Bibel interpretierte und manchmal manipulierte- so daß die Bibel alles und zugleich nichts sagen konnte.
Mit seinen 3 Büchern über Jesus von Nazareth zeigte er einen neuen Weg zu einer theologischen Diskussion, die auf der Annahme der historischen Wahrheit des Evangeliums basiert.

Heute ist die Kirche zurück bei der früheren historisch-kritischen Diskussion und es ist kein Zufall, daß in den 90-er Jahren wegen ihrer kühnen Thesen marginalisierte deutsche Theologen zurück auf der Bühne sind.

Mit ihnen zurück auf der Bühne sind auch Themen wie "eine horizontale (nicht hierarchische ) Kirche", und andere ähnliche Positionen aus den 80-er Jahren, die in jener Zeit mit dem "Konzil der Medien" einher gingen. Diese Definition ist eine wichtiges Erbe des Pontifikates Benedikts XVI.

Worauf wir jetzt blicken,  ist eine säkularere Kirche, die im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und ein säkulares Vokabular benutzt.
Benny Lai hatte verstanden, daß dies das Schicksal der Kirche ist:  wenn die Kirche einmal die Fähigkeit verliert, in ihrer eigenen Sprache zu sprechen, verliert sie sich selbst.

Strukturreformen der Kurie und der Finanzen sind nicht genug, auch wenn sie funktional sein mögen, weil was wirklich benötigt wird, theologisches Denken und ein theologische Ideal sind, nach dem zu streben ist.
Wie Kardinal Carlo Maria Martini es ausdrückte: "die Kirche ist 200 Jahre hinter der Zeit zurück."
Aber nicht so, wie alle denken."
Quelle:Monday in the Vatican, A. Gagliarducci,

Und wir fügen noch folgendes Zitat- ebenfalls von Andrea Gagliarducci aus dem Jahr 2012 hinzu:

"Papst Paul VI war prophetisch. Nach dem II. Vaticanischen Konzil verstand er, daß ein neues Glaubensbekenntnis nötig wäre. Dieser Papst schrieb in seiner Enzyklika "Populorum Progressio", "daß die Welt an einem Mangel an Denken und Reflektion leidet." Heutzutage leidet sogar die Kirche darunter."












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